Visa-Wechsel
Wir bewohnen ein nettes Haeuschen in einer netten Gegend nahe am Strand. Die Menschen hier
koennte man allgemein als freundlich und leicht schuechtern beschreiben. Fast ein halbes
Jahr hat es gedauert in Indien anzukommen - und schon wird es Zeit das Land wieder zu verlassen.
"Wo gehen wir denn hin, um die Visa zu erneuern?", frage ich Kai. "Auf die Malediven?",
grinse ich, "...oder nach Sri Lanka?"
Beide Ziele liegen in Reichweite, wobei die Inselgruppe sued-westlich von hier natuerlich viel
verlockender klingt. Das es ganz anders kommen wuerde, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
77 Sarees
Ein paar Tage spaeter stehen wir mit unseren -fuer eine Woche ausgeruesteten- Rucksaecken und
42kg Sarees (Frauenbekleidung) am Flughafen und warten auf den Flieger nach Malaysia.
"Da ist alles superguenstig - nicht so teuer, wie auf den Malediven, oder Sri Lanka!", sagte uns
Dileep, unser Bekannter. Bei der Gelegenheit koennten wir auch gleich die Sarees mitnehmen und
seinem Freund in Malaysia uebergeben. Dafuer wuerde er uns dann auch die Fluege buchen.
Das bei Kai und mir die Drogenkourieralarmglocken geichzeitig leuteten, veranlasste uns, uns bei der
Gepaeckaufgabe gleich vom Besitz der Taschen zu distanzieren. Dann 4 Stunden Flug...
Bei gefuehlten 45 Grad im Schatten stehen wir nach der Landung voellig durchgeschwitzt vom Schleppen
vor dem Flughafen und rauchen uns erstmal Eine. Dann ab nach Kuala Lumpur, der Hauptstadt von Malaysia.
Der "freundliche" Taxifahrer setzt uns vor dem "guenstigsten" Hotel ab, dass er kennt. Am naechsten Tag
checken wir dann (nach langen Verhandlungen) in das tatsaechlich Guenstigste ein.
Auf dem Weg zur indischen Botschaft wundern wir uns ueber die all die Frauen, die uns mit dem Wort
"Massaaaaage" wohl mitteilen wollen, das sie gerne massiert werden wuerden!? Komische Sitten hier!?
Wahrzeichen von Kuala Lumpur ---------------------- Kuenstler auf der Massaaaaagestrasse
Die Lungen voll mit Abgasen schlendern wir zur Botschaft. Eine schlechtgelaunte Mitarbeiterin
verkuendet uns kurzerhand, dass Auslaender kein Visum bekommen und wir erstmal 2, oder 3 Jahre
in Malaysia wohnen muessten. Eine nicht geringe Anzahl von Fragezeichen bildet sich in unseren Koepfen
und wir streiten noch ein bischen rum - aber es bleibt dabei: Es ist wohl genauso wichtig,
"wo" man sich befindet, wie "woher" man stammt. Naechtliegende Loesung:
Ueber die Grenze nach Thailand. Wie schoen, dass unsere Ruckfluege von hier nach Indien
bereits gebucht sind und wir noch ueber 40kg Sondergepaeck mit uns rumschleppen.
Wir rufen also Dileeps Freund an und schicken ihm per EMail unsere Adresse, damit er sein Zeug bei uns
abholen kann. Er sagt zu, hat aber dann doch keine Zeit und bittet uns die Sachen zu ihm zu bringen.
Eine lange und anstrengende Busfahrt spaeter kommen wir auf der Insel Penang am Busbahnhof an.
Blick vom Busbahnhof Richtung Westen
Wir sind total fertig, muessen aber noch 2 Stunden auf Sandeep (Dileeps Freund) warten, weil der
angeblich noch arbeiten muss. Auf unsere Frage, ob er uns jetzt das Geld fuer die Uebergepaeckgebuehren
am Flughafen und die Busfahrt (um ihm die Sarees zu bringen) zurueck gibt, bekommen wir
ein "Ne, ich hab im Moment kein Geld, Dileep gibt euch das Geld zurueck." zu hoeren. Dafuer bietet er
uns aber an, bei ihm zu uebernachten. Na, wenigstens etwas...
Schlechteste Uebernachtung bislang!
Ich muss die Geschichte mal eben unterbrechen, um noch eine hier in Malaysia oft vorkommende
witzige Sache zu bebildern:
? Deutsch <> Malayisch <> Englisch ?
Am naechsten Morgen stehen wir (endlich ohne Zusatzgepaeck) am Busbahnhof und erfahren,
dass weder Bus, noch Zug nach Thailand fahren, weil hinter der Grenze Bombenalarm herrscht.
Wir fahren also soweit es geht, bis ca. 3km vor die Grenze... da sehen wir ein Schild: P I Z Z A ! ! !
In dem Moment vergassen (ich hab hier kein SZ!) wir unsere knappe, zur Neige gehende Reisekasse
voellig und rannten in den Laden. Schade nur, dass die Pizza nicht nach Pizza schmeckte, aber wir
hatten wenigstens das Gefuehl nach ueber 5 Monaten optisch (das Auge isst ja bekanntlich mit)
eine Pizza zu geniessen.
Wir stehen wieder auf der Strasse und suchen lange nach einem Taxi fuer die letzten Kilometer.
An der Grenze interessiert sich niemand fuer unser Gepaeck - wir koennen einfach so durchgehen.
Soviel zum Thema Bombenalarm. Wir laufen durch die Grenzstadt, die ausschliesslich aus
Massaaaaaaaaage-Salons zu bestehen scheint... und teuren Hotels. Wir sind nicht bereit derart
haeftige Preise zu berappen und suchen uns eine ruhige Ecke, um im Freien zu uebernachten.
Die Angriffslust der Muecken ueberedet uns eine Muenze zu werfen. (Das machen wir immer, wenn
wir keine Entscheidung treffen koennen) Die Nacht im Hotel war super!
Mit dem MiniGruppenBus fahren wir nach Hat Yai, wo der naechste Bahnhof ist und besteigen dort
den Zug nach Bangkok...
Auf dem Weg in Thailands Hauptstadt
Der Horror beginnt...
Hitze, Laerm, Smog, Verkaeufer! Wir nehmen uns (wie immer) das guenstigste Zimmer und
entspannen erstmal... bis um 20Uhr die Hoelle losbricht. Unter uns ein Pup der anscheinend
viel Geld in seine Musikanlage gesteckt hat. Wir liegen im 2. Stock und die Scheiben klirren im Takt.
"Kann man sich zur Not dran gewoehnen", denke ich mir, als auf der gegenueberliegenden Strassenseite
Pup Nummer 2 demonstriert, dass seine Anlage noch lauter ist...
Diesen Spass hatten wir nun die naechsten 2 Wochen jede Nacht bis morgens so gegen 6Uhr.
Am naechsten Morgen machen wir uns frueh auf den Weg zur indischen Botschaft, die ca. 7km
entfernt ist. Sie liegt im 22. Stock, aber da wir noch Passfotos brauchen fahren wir erstmal in den
28. Stock zum freundlichen Fotografen. Der laesst von seiner Frau auch gleich die Visaantraege
ausfuellen (ohne uns zu fragen), denn der Thailaender von heute weiss, wie man Geld verdient.
Wieder im 22. Stock besteht die Mitarbeiterin der Botschaft darauf eine Buchungsbestaetigung
fuer Hin- und Rueckflug zu erhalten. Diskutieren bringt mal wieder nichts, also ab in den 28. Stock
weil der nette Fotograf zufaellig fuer solche Faelle eine Loesung hat. Gegen eine Wuchergebuehr
bucht er uns die Fluege, druckt die Bestaetigung aus und bestellt die Fluege wieder ab. Auf dem Weg
zurueck in die 22. Etage ueberfaellt mich eine grosse Lust diesen Schwachsinn mal mit der
Personalchefin der Botschaft zu diskutieren... ich lass es dann aber. Wir geben unsere Unterlagen ab.
Kais werden abgestempelt. Ich bekomme meine mit dem Kommentar "Vor- und Nachname sind
vertauscht" zurueck. Es ist 5 Minuten vor Annahmeschluss! Ich fahre in die bekannte Etage und knall
der Trulla den Antrag auf den Tisch. Die duckt sich und faengt an alles nochmal im Zweifingersuchsystem
abzutippen. Ich setze mich und gucke ganz boese. Das wirkt, denn Sie tippt die ganze
Viertelstunde ohne Unterbrechung durch und ihr Mann, der Fotograf, verkruemelt sich auch in eine
Ecke und laesst sich nicht mehr blicken. Auf der Fahrt in die andere mittlerweile bekannte Etage
ueberlege ich mir schon, was ich gleich hier veranstalte, wenn mein Antrag heute nicht mehr angenommen
werden sollte. Zu meinem Glueck hat Kai vorgesorgt - nach dem Motto: Geld gibt es erst, wenn mein
Vater wieder da ist.
Die Antraege sind ok, wir sollen am 8. wiederkommen. Mir faellt die schoene Aussicht hier oben auf
und frage, ob ich ein Foto machen darf. Vermutlich liegt es an der Feierabendstimmung, dass die
Personalchefin mir eine ihrer Mitarbeiterinnen als Model aufdraengt... na, bitte... wenns sein muss...
Botschaftsmitarbeiterin (findet sich sexy)
Wir sind zurueck in unserer Discoabsteige und... voellig pleite! Was jetzt? Gefrustet spenden wir
unsere letzten 10 Bath einem Internetcafe und gucken auf den Kontostand... wir fassen es nicht!
120 Euro - aber woher ??? Ich nenne jetzt keinen Namen - nur soviel: Es war ein Engelchen aus
Langenberg. Mit dem Geld kommen wir gut ueber die naechste Zeit, die wir hier noch
festhaengen werden. Wir schreiben Dileep dass er am 10. die Rueckfluege buchen soll, weil wir noch
2 Tage Visaverzug einkalkulieren. Es beginnt eine schreckliche Zeit. 0Uhr: Wir gehen bei Erdbeben-Staerke
6 ins Bett. 12Uhr: Wir stehen auf und gehen raus auf die Strasse. Nach einem Meter und
fuenfzig werden wir gefragt, ob wir nicht einen Anzug kaufen wollen - NEIN! 1,75m - Einen Luftballon?
2,3m - Feuerzeug - 3m - Laserpointer - 4m - irgendein Ladyboy grabbelt uns an - 5m - wieder Anzug.
Am haeufigsten quatschen uns Taxifahrer an, ob wir nicht zur "PingPongShow" wollen und halten
uns einen Zettel hin - ich lese: "Muschi raucht Zigarette, Muschi zerquetscht Banane...". Ich kenne zwar
die Bibel nicht, aber so aehnlich war es wohl in Sodom und Gomorra!?
Nachdem wir gegessen haben, gehen wir wieder rauf ins Zimmer und versuchen zu schlafen.
Die meiste Zeit verbringen wir im Zimmer um unsere "Ruhe" zu haben und spielen Karten, was nach
ein paar Tagen aber auch recht langweilig wird. Dazu die Hitze, ohne Wind, 2 Wochen lang... schrecklich halt!
Unsere Visa sind puenktlich fertig und wir warten auf die Rueckflugdaten von Dileep. Als Die am
9. immer noch nicht da sind, rufen wir ihn an und er plappert irgendwas von: "Am 15., oder 16. sind
die Fluege billig". Wir kriegen die Kriese! Auf keinen Fall bleiben wir noch laenger in dieser Hoelle!
Kai telefoniert mit seiner Mama
Die Familie hilft (Danke Mama/Oma) und wir buchen selber fuer den 11. Eine lange Rueckreise
beginnt. Start um 15Uhr Richtung Flughafen, warten bis 20Uhr. 3 Stunden Flug nach Chennai,
ganz im Osten Indiens, denn das war der guenstigste Flug. Kaum verlassen wir den Flughafen,
ueberfallen uns wieder die TukTuk-Fahrer (die Spielchen kennen wir schon von unserer ersten
Landung, als wir aus Deutschland kamen) und bieten uns eine Fahrt in die City fuer nur 400 Rupien
an. Wir grinsen und fahren dann mit dem Zug fuer 10 Rupien. Am Hauptbahnhof erfahren wir, dass
wir die Tickets fuer den Zug nach Thrissur (800km von hier und 30km von unserem Haus entfernt)
erst nach Mitternacht kaufen koennen. Wir fuehlen uns ekelig matschig verschwitzt und treten so die
fast 14 stuendige Fahrt an. Ich bin total uebermuedet und kurz vor dem Ziel quatscht mich der Schaffner
schief von der Seite an. Wir wuerden im falschen Abteil sitzen. Eine minutenlange Diskusion begint -
ich bin nicht bereit dafuer zu zahlen! Alle Anderen, die mit mir im "falschen" Abteil sassen, sind einfach
ins naechste gegangen, ohne dafuer zu bezahlen. Die Debatte wird immer lauter, bis Kai (der sich
fuer ein paar Minuten schlafen gelegt hatte) davon wach wird und den Vermittler spielt. Er zahlt die
Gebuehr (es waren nur 3 Euro, aber es geht ja ums Prinzip) und der Schaffner zieht genervt ab.
Die letzten 30km legen wir mit dem Bus zurueck. Das wars. Ende der Geschichte.
Nochmal vielen Dank an alle, die uns geholfen haben...